24h Schwimmen

10. Januar 2016 Aus Von Non-Stop-Ultra


Zwölf Uhr mittags am 9. Januar 2016 steigt Michael aus dem Wasser im Coesfelder Hallenbad. Wortlos. „Was ist los?“, fragt ihn Sandra Icking, Trainerin und Betreuerin vom SC Coesfeld. „Mein Hals tut weh“, krächzt der Lokalmatador, der zu diesem Zeitpunkt souverän die Einzelwertung im 24-Stunden-Schwimmen anführt, „ich krieg´keinen Ton mehr raus.“ Ihm hat´s die Sprache verschlagen. „Halb so wild“, entgegnet Scherzkeks Josef Osterkamp, „er soll schwimmen und nicht singen.“

    

Was tun? Dr. med. Markus Dreck, der „Doc“ von den Christophorus Klinken, der seine schwimmenden Töchter Marie und Rieke anfeuert, diagnostiziert anhand der Symptome eine Kehlkopfentzündung. „Das liegt am Chlor“, klagt der Patient, „ich mach’ mal Pause.“

Aber nach einer Stunde hält er’s nicht mehr aus am Beckenrand. Tatenlos hat Michael Ernst mit ansehen müssen, wie ihm der Zweitplatzierte Ronald Matula immer näher rückte. Sein zunächst komfortabler Vorsprung war so rapide wie Schnee in der Sonne zusammengeschmolzen.

Ein letztes Mal lutscht er an einem Wassereis. Sandra Icking hat ihm den Tipp gegeben: „Wetten, das hilft…!“ Einer Frau soll man nicht widersprechen, weiß auch Michael Ernst und verputzte daraufhin ein Eis nach dem anderem, bis er Punkt 13 Uhr wieder das nasse Element aufsucht. Vernünftig sei das nicht, betont Dr. Dreck. „Was ist schon vernünftig bei diesem Wettbewerb“, bemerkt Ernst, „wenn der Hals schmerzt, das ist nicht schön. Doch viel schlimmer ist, wenn ich nicht gewinne . . .“ Den nahen Sieg vor Augen zieht der Schwimmwart des SCC voller Ehrgeiz seine Bahnen und kommt summa summarum auf 38 250 m. Mit exakt 1250 m mehr als im Vorjahr gewinnt er das 24-Stunden-Schwimmen im Coesfelder Hallenbad.

              

Die Pokaljäger: Helga Linnenbaum und Michael Ernst, Sieger und Siegerin in der Einzelwertung

Müde wie ein alter Krieger klettert er aus dem Becken und keucht: „Das war hart. Hammerhart.“ Bertold Dieker, 2. Vorsitzender des SCC, nimmt seinen Klubkollegen auf den Arm. „Na, Michael“, witzelt er, „gehste gleich noch zum Tennis?“ Michael Ernst muss leise grinsen. „Nein danke“, kommt die Antwort postwendend zurück, „heut’ nicht.“ Er hat die Faxen dicke und verzichtet lieber auf das übliche Tennis-Match am Wochenende.

Sandra Icking, „meine medizinische Notfallversorgung“, wie er sagt, reicht ihm erneut ein Eis: „Für die Stimme.“ Michael Ernst, 52 Jahre und begeisterter Triathlet mit Ironman-Erfahrung, ist bester Laune und quasselt wieder wie ein Buch, auch wenn die Kehle brennt.